Vorbemerkung Der Großteil der geschichtlichen Entwicklung von Luta Livre in Brasilien ruhte bis dato auf anekdotischen Erzählungen ohne nachweisbare Evidenz zu beinhalten. Eine systematische und jahrelange Forschungsarbeit von Dipl. Sportwiss. und Luta Livre Trainer “Nico” M. Welko in enger Zusammenarbeit mit Elton Silva, schafft eine zuverlässigere Darstellung der historischen Entwicklung von Luta Livre in Brasilien. Die hier veröffentlichte Kurzform ist ein Ergebnis aus mehr als 9000 erhobenen und ausgewerteten Zeitungsberichten nach Standards der wissenschaftlichen Forschung. Die Referenzen und detailreiche Version werden in den in Kürze zu veröffentlichen Werken der Autoren erscheinen: "Catch; die Wurzel des Luta Livre in Brasilien" und "Luta Livre lehren und lernen" . Der zweite Trainer von "Mestre Tatú" war Orlando Americo da Silva alias "Dudú". Orlando Americo da Silva „Dudú“ Orlando Americo da Silva „Dudú“ war ein starker Kämpfer, der in São Paulo seit 1928 viele Jiu-Jitsu und Luta Livre Meisterschaften gewann. Er kam 1932 nach Rio de Janeiro und forderte jeden, aber insbesondere die Gracies, heraus. Er soll 300 Kämpfe bestritten haben und wurde in den Medien als der Luta Livre Meister aus SãoPaulo, brasilianischer Meister, bester brasilianischer Kämpfer vorgestellt. Er war dafür bekannt, dass er seine Kämpfe immer schnellstmöglich zu beenden versuchte. Die Aufmerksamkeit der Medien richteten sich vor allem auf „Dudú“ als er anfing George Gracie zu trainieren. Aus Zeitungsartikeln ist ebenfalls zu entnehmen, dass es zu einem Kampf zwischen „Dudú“ und Oswaldo Gracie kam. „Dudú“ besiegte ihn und brach ihm dabei das Bein an drei Stellen. So schrieben es die Zeitungsberichte dieser Zeit. Es ist jedoch nicht klar, ob dieser Vorfall sich in einer Trainingseinheit ereignete, oder ob es die Folgen eines Herausforderungskampfes waren. Es scheint jedoch wahrscheinlicher bei einer Trainingseinheit passiert zu sein, da zu dieser Zeit die Gracies auch unter der Leitung von "Dudú" trainierten. Orlando Americo da Silva "Dudú". Quelle: Diario Carioca, 1932. „Dudú“ gewann unterschiedliche Kämpfe in den Luta Livre Meisterschaften. Er bezwang ebenfalls den berühmten japanischen Kämpfer Geo Omori. Omori war ein starker Jiu-Jitsu Kämpfer, der auch Luta Livre und Vale Tudo Kämpfe bestritten hatte. Carlos Gracie hatte unter anderen Jiu-Jitsu Lehrern und Meistern in Brasilien, wie Donato Pires dos Reis, eine nachweisbare Verbindung mit dem Jiu-Jitsu Meister Geo Omori. Diese Tatsache schaffte Platz für die Entstehung vieler neuer Hypothesen bezüglich der Geschichte des Jiu-Jitsu der Familie Gracie in Brasilien. Es könnte somit sogar die weit verbreitete Schilderung, Jiu-Jitsu unter Mitsuyo Maeda „Conde Koma“ gelernt zu haben, in Frage gestellt und widerlegt werden. Die von uns gefundenen Beweismaterialien sprechen eher gegen diese weltweit verbreitete Version. Orlando Americo da Silva "Dudú" bei einem Luta Livre Kampf. Quelle: A Noite, 1932. Trotz konsequenten Herausforderungen von „Dudú“, blieb es schwer Gegner für ihn zu organisieren, da die meisten nicht gegen ihn nach harten Regeln kämpfen wollten. Dies zwang „Dudu“ oft in finanzielle Notlagen. Er berichtete, dass er deswegen gezwungen war, manipulierte Kämpfe bestritten und diese ebenfalls verloren zu haben. Das verschaffte ihm unter Umständen ein negatives Kämpferprofil. Orlando Americo da Silva "Dudú" und Mestre Euclydes "Tatú" Hatem. Quelle: Privatarchive „Dudú“ forderte mehrmals George Gracie heraus. George Gracie nahm dann die Herausforderung an und behauptete, er hätte „Dudú“ im Training bereits besiegt. Er wollte den Kampf unter „Luta Livre - Vale Tudo Regeln“ ohne festgelegte Runden bestreiten, welche Kopfstöße, Ellenbogenstöße, Kniestöße, Schläge, Tritte und sogar auf den Gegner am Boden drauftreten erlaubten. Jedoch akzeptierten die Veranstalter diese Regeln nicht. Die Veranstaltung wurde dann als Luta Livre Kampf mit 10 Runden á 5 Minuten organisiert und ausgetragen. Diese Begegnung endete unentschieden. „Dudu“ berichtete, dass er an diesem Abend sich in keinem guten Zustand befunden habe. Zudem erlaubte das Regelwerk viele Techniken nicht und die Runden waren von kurzer Dauer. All dies wäre zu seinem Nachteil. „Dudú“ dominierte jedoch George Gracie während des gesamten Kampfes. Bei einer erneuten Gelegenheit forderte „Dudú“ George Gracie erneut um den brasilianischen Titel heraus. Der Kampf wurde organisiert und erst im Ring weigerte sich George Gracie jedoch gegen ihn zu kämpfen, da George Gracie mit einigen zugelassenen Techniken, wie Kopfstöße und Ellenbogenstöße, dieses Mal nicht einverstanden war. Der Kampf fand somit nicht statt. Daraufhin bezeichnete „Dudú“ die Gracies und deren Akademie als wertlos. Helio Gracie, der bereits Luta Livre unter "Dudus" Leitung trainiert hatte, tauchte als Herausforderer durch die Unternehmungen von seinem Manager, Carlos Gracie, auf. „Dudú“ nahm die Herausforderung an. Es entstand eine große Rivalität zwischen ihm und den Gracies. Helio Gracie wollte anfänglich nicht kämpfen und verlangte, wenn überhaupt, einen Kampf hinter geschlossenen Türen und ohne Zuschauer. „Dudu“ war mit diesen Bedingungen jedoch nicht einverstanden. Einige Veranstalter wollten den Kampf nicht organisieren, da diese keine weitere Geschäfte mit den Gracies abschließen wollten. Es fanden sich jedoch Veranstalter, die den Kampf organisierten und ankündigten. Helio Gracie kündigte an, „Dudus“ Angehörige würden ihn im Krankenhaus nicht wieder erkennen, da er ihm das Gesicht mit Schlägen deformieren würde. Gekämpft wurde in fünf Runden á 20 Minuten. Verboten waren lediglich Angriffe auf Genitalien und Augen. Es war sogar erlaubt, auf den am Boden liegenden Gegner zu treten. Alle möglichen Techniken des Luta Livre und Jiu-Jitsu waren zugelassen. Die Veranstaltung wurde sogar als Kampf unter „unsportlichen Regeln“ von den Medien angekündigt. Orlando Americo da Silva "Dudú" in Helio Grecies Guard. Quelle: Diario Carioca, 1935 Dieser Kampf verlief äußerst gewaltvoll. Es floss viel Blut. „Dudu“ landete Kopfstöße, die Helios Nasen und Gesicht deformierten und zum Bluten brachte. Nach 13 Minuten wurde der Kampf unterbrochen, um die Blutungen beider Kämpfer zu stillen. Helio landete danach mit voller Wirkung Tritte auf „Dudus“ Kopf und Hals. Er wurde dadurch angeknockt. Helio erkannte das und traf ihn dann erneut mit weiteren Schlägen und Tritten auf Körper und Kopf. Nach insgesamt 19 Minuten Kampf gab „Dudú“ auf. Auf Deutsch in etwa: "Ich konnte nicht mehr, hat Dudú nach seinem Kampf gegen Helio Gracie bekannt gegeben. Der Jiu-Jitsu Professor hatte die Nasse gebrochen" Quelle: A Noite, 1935 „Dudu“ wurde dadurch scharf kritisiert. Er solle seine Kämpfer-Karriere beenden. Es wurde bemerkt, dass „Dudú“ keine Techniken des Luta Livre angewendet hatte, was sich als merkwürdig aufwies. Sogar seine Geldprämie als Verlierer wurde ihm zuerst verweigert, da es den Anschein erweckte, er habe nicht ernsthaft und wie gewöhnlich gekämpft. „Dudu“ wurde zum Krankenhaus mit Schmerzen im Bauchraum gebracht, wo Verletzungen an der Leber, Rippenbrüche, Beckenverletzungen und Zahnverluste festgestellt wurden. „Dudu“ lobte Helio Gracie für seine Tapferkeit und gab zu, er habe nicht weiter kämpfen können. Nach diesem Kampf zeigte Helio ebenfalls Respekt und teilte mit, dass „Dudú“ mit zwei rausgeschlagen Zähnen, Rippenbrüchen und geprellter Unterarm wie „ein Mann verloren hätte“. Ferner merkte er an, dass es eine unzumutbare Aufgabe gewesen wäre, den Kampf unter solchen Bedingungen fortzusetzen. Ein paar Jahre später kämpften "Dudú" und Helio Gracie erneut, aber dieses Mal bei einer Luta Livre Meisterschaft. Helio Gracie verlor den Kampf gegen „Dudú“, war aber damit nicht zufrieden und verlangte eine Revanche. Auf Deutsch in etwa: "Luta Livre Meisterschaft. Dudú besiegte Gracie. BELLO HORIZONTE, 13 (A.B.). Der heutige Kampf in dieser Stadt zwischen Dudú und Helio Gracie um die Luta Livre Meisterschaft endete mit dem Sieg von Dudú durch Schiedrichterentscheidung" Quelle: Correio de S. Paulo, 1937. Es wird den Anschein erweckt als hätte „Dudú“ eine Tiefphase in seinem Leben durchlebt. Während dieser Zeit soll er sich zum Beispiel in alkoholisiertem Zustand in einem Kaffe geprügelt haben. Dort habe er versucht, die weibliche Begleitung eines anderen Mannes zu erobern. Nach einiger Diskussion entstünde dann eine Schlägerei, nachdem „Dudú“ diesem Mann eine Ohrfeige verpasst hätte. Dieser wiederum soll eine Flasche auf „Dudús“ Kopf geschlagen haben. Im diesem Laden sollen mehrere Tische, Stühle und andere Gegenstände zerstört worden sein, was eine erhebliche Schadensumme verursacht habe. Anschließend sei „Dudú“ verarztet worden, da er Schnittwunden am Kopf erlitten habe. Er sei von anderen mit Gegenständen und sogar Stühlen angegriffen worden. Dudu verstarb 1938 in einem Krankenhaus, in einem einsamen, verlassenen und finanziell vollkommen ruinierten Zustand, an einer Krankheit, gegen welche |